Die Messung von latenten Variablen

Author

Patrick Zerrer

Eine überfüllte & scheinbar unstrukturierte Stadt an der Oberfläche, Bild generiert von Midjourney

In der Kommunikationswissenschaft, beziehungsweise in den Sozialwissenschaften allgemein, bezieht sich der Begriff latente Variable auf eine nicht direkt beobachtbare Eigenschaft oder einen nicht direkt messbaren Faktor, der sich jedoch durch mehrere beobachtbare Variablen (teilweise auch als Indikatoren bezeichnet) manifestiert. Latente Variablen sind theoretische Konstrukte, die nicht direkt gemessen werden können. Als Wissenschaftler:innen gehen wir allerdings davon aus, dass diese Konstrukte existieren und wir somit komplexe gesellschaftliche Phänomene mit der Hilfe von latenten Variablen besser verstehen können.

Wenn wir uns jetzt ganz konkret mit dem Vertrauen in gesellschaftliche Institutionen beschäftigen, ist Vertrauen eine latente Variable. Wir können Vertrauen in gesellschaftliche Institutionen nicht direkt beobachten, wir sehen beispielsweise einem Menschen nicht an, ob er oder sie dem Bundesverfassungsgericht als eine von mehreren gesellschaftlichen Institutionen stark oder nicht so stark vertraut. Wenn wir uns als Forscher:innen fragen, inwieweit die Menschen in Deutschland den gesellschaftlichen Institutionen vertrauen, müssen wir zunächst theoretisch klären, was wir unter dem Vertrauen in gesellschaftliche Institutionen verstehen.

Das Vertrauen in gesellschaftliche Institutionen ist ein abstraktes und komplexes theoretisches Konstrukt, das sich aus verschiedenen Bestandteilen zusammensetzt. Diese einzelnen Bestandteile (Vertrauen in das Bundesverfassungsgericht, Vertrauen in den Bundestag, etc.) können wir durch sogenannte Indikatoren beobachten und damit messbar machen (in einer Befragung wäre das bspw. die Frage nach dem Vertrauen in das Bundesverfassungsgericht). Auf der Grundlage dieser Indikatoren versuchen wir dann auf das Vertrauen in gesellschaftliche Institutionen zu schließen.

Latente Variablen spielen eine wichtige Rolle in der statistischen Modellierung und Analyse, insbesondere in der Faktorenanalyse. Durch das Einbeziehen von latenten Variablen in die Analyse, können komplexe Beziehungen und Zusammenhänge zwischen verschiedenen Variablen besser verstanden und erklärt werden. Zusätzlich ist eine Reduktion von Komplexität möglich, indem mehrere beobachtbare Variablen (bzw. Indikatoren) in einer latenten Variable zusammengefasst werden, was zu einem besseren Verständnis der zugrunde liegenden Phänomene führen kann. Der Prozess des Zusammenfassens wird häufig auch als Indexbildung bezeichnet.

Die Indexbildung umfasst drei relevante Schritte: (1) Zunächst muss ein theoretisches Konstrukt entwickelt werden. In unserem Fall würde das bedeuten, dass wir ein theoretisches Verständnis von Vertrauen in gesellschaftliche Institutionen entwickeln und uns klar werden, was wir darunter verstehen. (2) Im nächsten Schritt müssten wir klären, ob sich dieses theoretische Konstrukt in Form einer latenten Variable auch in unseren Daten finden lässt, hierfür werden wir eine explorative Faktorenanalyse durchführen. (3) Als letzten Schritt führen wir die eigentliche Indexbidlung durch. Hier berechnen wir eine neue Variable, den Index für Vertrauen in gesellschaftliche Institutionen, und überprüfen dessen Güte.